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Der Countdown läuft: BFSG bis Juni 2025 umsetzen
Unternehmen müssen ihre Websites und Apps barrierefrei gestalten – so fordert es das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Ist Ihre Steuerkanzlei davon betroffen? Sind es Ihre Mandate?
Inhaltsverzeichnis
Es hört nicht mehr auf mit den gesetzlichen Anforderungen: Bis zum Sommer sind die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umzusetzen, was sowohl Ihre Mandant:innen als auch viele Kanzleien betrifft. Von Websites über Apps bis hin zu gesetzeskonformen PDFs sollte digitale Barrierefreiheit gewährleistet werden - dabei helfen grundsätzliche Überlegungen und neue Standards für die Erstellung von Informationen.
Digitale Barrierefreiheit wird zur Pflicht: Das BFSG kommt
Bereits am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft und setzt damit die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, kurz: EAA) um. Als wichtiger Schritt zu einer europäischen inklusiven Gesellschaft soll das BFSG dazu beitragen, den Zugang zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten – elektronische Produkte, online erbrachte Dienstleistungen und digitale Handelsgeschäfte/Shops sind betroffen. (Hinweis: Dieser Beitrag mit grundssätzlichen und hilfreichen Informationen ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.)
Verstöße gegen das BFSG und die BFSGV stellen nach § 37 BFSG Ordnungswidrigkeiten dar und werden mit geahndet: Je nach Einzelfall liegt die Höchstgrenze der Geldbuße bei 10.000 Euro oder 100.000 Euro. Es könnten Produktrückrufe angefordert und Untersagungen ausgesprochen werden.
Das BFSG betrifft Sie als Inhaber:n von Steuerkanzleien oder Beratungsunternehmen mit mehr als 10 Mitarbeiter:innen und/oder mehr als 2 Millionen Jahresumsatz, das betrifft aber auch viele Ihrer Mandant:innen und Mandanten, die sich der neuen Herausforderungen und drohenden Konsequenzen vielleicht noch nicht bewusst sind:
- Zahlungsterminals zur Selbstbedienung, auch für Fahrscheine
- auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen bzw. in Apps
- Bankdienstleistungen für Verbraucher:innen
- E-Books und hierfür bestimmte Software
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
Das heißt aber nicht, dass Sie oder Ihre Mandant:innem jetzt auch noch alle E-Books zur Webinar-Begleitung und Info-Websites rückwirkend überarbeiten müssen: Inhalte von Webseiten, Medien und mobilen Anwendungen gelten als Archive, wenn ihre Inhalte nach dem 28. Juni 2025 weder aktualisiert noch überarbeitet werden.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BFSG sind Produkte und Dienstleistungen barrierefrei, „wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“
Für wen das BFSG nicht gilt:
Ausnahmen von der neuen Regelung sind Kleinstunternehmen, welche Dienstleistungen anbieten oder erbringen, definiert als Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro.
Nicht erfasst vom Gesetz sind außerdem Websites im B2B Bereich, die sich offensichtlich nicht an Verbraucher richten. Für Online-Shops gilt dies jedoch nur, wenn Bestellungen von Verbrauchern ausgeschlossen werden.
Wenn ein Angebot wie ein Produkt oder eine Dienstleistung so grundlegend verändert werden müsste, dass die eigentlichen Wesensmerkmale nicht mehr erhalten bleiben, müssen die Anforderungen an die Barrierefreiheit ebenfalls nicht eingehalten werden.
Wenn die Erfüllung der Anforderungen eine unverhältnismäßige große Belastung darstellt, besteht ebenfalls keine Verpflichtung, die Barrierefreiheitsanforderungen zu erfüllen. Das entscheiden aber nicht die Anbieter:innen, die in diesen beiden Fällen verpflichtet sind, die Marktüberwachungsbehörde zu informieren und die Gründe für die Nichtumsetzung zu dokumentieren.
„§ 3 Abs. 1 S. 2 BFSG
"Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen
(i) in der allgemein üblichen Weise,
(ii) ohne besondere Erschwernis und
(iii) grundsätzlich ohne fremde Hilfe
auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.““
Unterschiedliche Arten von Behinderungen erfordern digitale Barrierefreiheit: Motorische Einschränkungen, körperliche Einschränkungen, Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit, Blindheit, Sehbehinderung, Rot-Grün-Sehschwäche, Seheinschränkung aufgrund des Alters, kognitive Einschränkungen, Lerneinschränkungen.
Ressourcen und weiterführende Infos zum Thema BFSG
Lisa Augustin, SEO-Expertin aus der Lexware Office Community, erläutert nicht nur, warum eine Abwehrhaltung gegen das BFSG nicht lohnt, sondern bietet auch ein Quiz an, mit dem man prüfen kann, ob es gilt.
Interview mit Jenny Wullich ebenfalls aus der Lexware Office Community, Expertin für barrierefreie Websites, die nicht nur Tipps für die Umsetzung gibt, sondern auch erläutert, warum alle Unternehmen immer von barrierefreien Angeboten profitieren.
Das BFSG im Volltext mit der Möglichkeit, Anpassungen und Änderungen per Mail zu abonnieren und Beispielen für die Navigation in einer rechtskonformen barrierefreien Websites mit Bedienungshilfen.
BitV 2.0 Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung 2.0: Die BitV 2.0 regelt die Anforderungen an barrierefreie Webseiten. Die offizielle Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bietet umfassende Informationen und Leitfäden zur BitV 2.0.
Die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind internationale Richtlinien für barrierefreies Webdesign. Die Website bietet detaillierte technische Standards und Empfehlungen zur Gewährleistung der Zugänglichkeit von Webinhalten, umfassende Informationen und Ressourcen.
WebAIM (Web Accessibility In Mind) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich auf die Förderung der Barrierefreiheit im Web spezialisiert hat. Auf der Website finden sich zahlreiche wertvolle Ressourcen, darunter Schulungsmaterialien, Prüfwerkzeuge und Artikel zur Barrierefreiheit.
Die BIH (Bundesfachstelle Barrierefreiheit im Internet ist eine unabhängige Stelle, die Informationen und Schulungen zur Barrierefreiheit im Internet bereitstellt. Sie bietet Leitfäden, Schulungen und Prüfungen zur Zertifizierung von barrierefreien Webseiten.
Stand der Dinge Mitte Februar …
Laut der Website der Bundesfachstelle Barrierefreiheit stehen die zuständigen Marktüberwachungsbehörden in den Bundesländern noch nicht als Liste bereit und werden auf der Website ergänzt werden, sobald sie verfügbar sind.
Außerdem gibt es zwar ein Beratungsangebot, das Sie in Anspruch nehmen könnten, es wird aber mit dem Hinweis serviert „Da wir personell erst ab 2025 vom Gesetzgeber für diese Beratung ausgestattet werden, können wir Anfragen derzeit nur mit zeitlicher Verzögerung, nach vorhandenen Ressourcen und bestem Wissen und Gewissen beantworten.“ (Stand 09. Februar 2025)
Sie sollten sich also anderweitig um kompetente Beratung bemühen – und auch nicht mehr warten, denn IT-Fachkräfte für die Umsetzung der Vorgaben sind knapp und dreieinhalb Monate sind nicht viel Zeit. Viel Erfolg.
Pflichten für Anbieter:innen von Dienstleistungen nach § 14 BFSG
Die Anforderungen und Gestaltungspflichten für Dienstleistungsangebote umfassen:
- Barrierefreie Gestaltung von Webseiten und Apps sowie etwaigen Unterstützungsdiensten
- Informationspflichten, wie die Bereitstellung einer Erklärung über die Barrierefreiheit als Teil des digitalen Angebots (Anlage 3 zum BFSG)
- die barrierefreie Darstellung der betreffenden Information (z.B. in „leichter Sprache“ und
Gebärdensprache) - Aufbewahrungspflichten für die Dauer der Erbringung der Dienstleistung (z.B. bzgl. der
Selbsteinschätzung über das Vorliegen der Ausnahmetatbestände nach §§ 16, 17 BFSG) - Auskunfts-/Anzeigepflichten den zuständigen Marktüberwachungsbehörden gegenüber und Kooperationspflichten mit den Behörden
Für Produkte kommen noch weitere Auflagen wie die Pflicht zur Durchführung von Konformitätsbewertungsverfahren sowie Gestaltungs- und Dokumentationspflichten hinzu.
Best Practices für Steuerkanzleien zur Vorbereitung auf die BFSG
Prüfen Sie zunächst, ob die Regelungen auf die von Ihrer Kanzlei angebotenen Dienstleistungen und Informationen zutreffen. Wir können natürlich keine Rechtsberatung leisten, aber bei Erreichen der Umsatzhöhe könnte es sein, dass schon eines oder wenige B2C-Mandate ausreichen, damit die BFSG-Regelungen für alles gelten. Wir empfehlen daher eine Rechtsberatung und Rücksprache mit den zuständigen Kontrollbehörden, wenn Sie oder Mandant:innen in Ihrer Beratung sich in Grauzonen bewegen.
Unabhängig vom Zutreffen der Regelung ist es sinnvoll, das eigene Informationsangebot – insbesondere Websites und elektronische Informationen wie Mails und Newsletter – auf Barrierearmut oder -freiheit zu prüfen.
Barrierefreiheit bedeutet sicherzustellen, dass alle Menschen unabhängig von Fähigkeiten oder Einschränkungen auf Informationen und Funktionen ezugreifen können. Chancengleichheit, Inklusion und gut verdauliche Infos sind grundsätzlich ein erstrebenswertes Ziel, auch ohne BFSG. Prüfen Sie Ihren Online-Auftritt auf Barrierefreiheit, angefangen von der Website – inklusive aller Formulare für Kontaktaufnahmen, Newsletter und Downloads.
Setzen Sie einen Chatbot ein? Ist er barrierefrei? Jedes Kommunikationsmittel sollte mühelos zugänglich und die Informationen auch für Menschen mit Einschränkungen gut aufnehmbar sein.
Nicht nur wenn Sie Downloads und E-Books bereitstellen, sondern auch wenn Sie Printmedien anbieten, informieren Sie sich am besten ab sofort über deren barrierefreie Gestaltung.
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