Interview mit Reinhold Messner: Berge versetzen
Stargast auf der lexpresso 2022 am 23. Juni wird der Extrembergsteiger und Buchautor Reinhold Messner sein mit seiner Keynote „Berge versetzen“
Inhaltsverzeichnis
Wir freuen uns schon sehr auf Reinhold Messners Keynote „Berge versetzen“ auf der lexpresso 2022, in der der Erfolgsautor und erfahrene Bergsteiger uns von einer brauchbaren Lebensform für eine lebenswerte Welt erzählen wird.
Reinhold Messner
Extrembergsteiger und Buchautor
Der Südtiroler Reinhold Messner hat als Felskletterer, Höhenbergsteiger und Abenteurer immer wieder Grenzen versetzt. Abenteuer ist für ihn eine kulturelle Lebensäußerung und es geht dabei nicht um Rekorde, sondern um Erfahrungen: Um die Auseinandersetzung zwischen Berg – und Menschennatur, die im traditionellen Alpinismus ihren stärksten Ausdruck findet.
Seine über fünfzig Bücher und zahlreiche Filme erzählen das Abenteuer Berg und Wüste und von einem nachhaltigen Umgang mit der Wild gebliebenen Natur. Eine Haltung, die Generationen von Abenteurern geprägt hat. Mit seiner Stiftung, der Messner Mountain Fundation, übernimmt Reinhold Messner soziale Verantwortung für die Bergvölker. Konzipiert als Hilfe zur Selbsthilfe, geht es darum, den Einheimischen hoch oben in den Bergen des Himalayas, Karakorum, im Hindukusch, in den Anden oder im Kaukasus mit Landwirtschaft und Tourismus das Überleben zu sichern.
Auf der lexpresso 2022 erzählt Reinhold Messner vom Scheitern als Lernprozess, von Motivation und Leistungsdruck, Chaos und Kreativität. Melden Sie sich jetzt schnell kostenlos an und erfahren Sie, wie man mit mentaler Stärke seine Ziele erreicht und wie ein Neuanfang gelingt.
Ziele, Motivation und Umgang mit Scheitern: Der Weg zum Erfolg
Carola Heine: Lieber Reinhold, unsere lexpresso 2022 ist ein Event, das innovative Menschen auf Augenhöhe anhand ihrer Herausforderungen zusammenbringt, um spannende neue Beziehungen zu erschaffen und ich freue mich stellvertretend für alle sehr über die Erlaubnis, dass wir auch dich duzen können. Vielen Dank.
In deiner Keynote wirst du uns erzählen, wie man Scheitern als einen Lernprozess betrachtet. Du hast selbst sehr viele große Ziele erreicht in deinem Leben.
Wie bleibt man denn motiviert, wenn man ein Zwischenziel erreicht hat und eigentlich schon zufrieden sein könnte – weil man bereits weiter gegangen ist, als alle anderes es vorher je geschafft haben? Was empfiehlst du uns, um die Motivation aufrecht zu erhalten?
Reinhold Messner: Zunächst einmal ist es ein großer Unterschied, ob ich ein einzigartiges großes Ziel erreicht habe oder ein Zwischenziel. Schon in frühen Jahren musste ich lernen, mich dagegen zu wappnen, dass man nach dem Erreichen eines großen Ziels oft in ein tiefes dunkles Loch fällt.
Denn dann ist nicht nur die Motivation weg, sondern auch das Projekt. Die Idee, die mich über Monate oder Jahre getragen hat, ist einfach nicht mehr da.
Bei einem Zwischenziel ist das anders, denn es ist ja wirklich nur das: Ein Zwischenziel. Das große Ziel an sich bleibt bestehen.
Auf der lexpresso bringen wir zusammen:
Interessierte Selbstständige, Kleinunternehmer, Existenzgründer
Steuerberaterinnen und Steuerberater,
die ihre Kanzleien mit Lexware Office verbunden haben
Lexware Office Partner, die individuelle Branchenanforderungen abdecken
und mit Schnittstellen für effiziente Prozesse sorgen
Unterstützerinnen und Unterstützer,
die mit Feedback, Ideen und Anregungen zur Seite stehen
Wirtschaftsjournalisten und Experten für modernes Unternehmertum
Unsere Kundinnen und Kunden und unsere Lexware Office Entwicklungsteams.
Reinhold Messner: Nach dem Everest ohne Maske waren die Erwartungshaltungen sehr hoch und die Besteigung wurde sehr kontrovers diskutiert. Dank der Kontroversen war die Aufmerksamkeit groß und es wurde ein weltweiter Hype daraus. Aber für mich selbst war das ja auch ein Schritt jenseits des Möglichen, ich hatte keine Garantie, dass es gelingt. Ich kam zurück, die Welt war in Aufregung und ich selbst fiel in ein tiefes schwarzes Loch.
Damals habe ich gelernt, immer schon ein zweites Ziel in petto zu haben. Das Erreichte zu ersetzen durch eine neue Idee, die angedacht wird und Energie braucht. Durch Identifikation mit dem Ziel wächst dann auch die Motivation. Die Motivation wird uns ja nicht geschenkt, sondern entsteht, indem wir uns mit unseren Projekten beschäftigen.
Ich habe zwar nie mehr als ein großes Projekt im Fokus gehabt. Aber ich hatte immer etwas anderes bereits im Rückhalt und habe nach jeder Phase, in der ich mein Maximum erreicht habe, etwas Neues gewagt. Dann habe ich den Umstieg gewagt in ein neues Leben, eine völlig neue Tätigkeit. Sechsmal bisher, und ich werde es ein weiteres Mal tun, wenn die Pandemie und dieser fürchterliche Krieg in der Ukraine überstanden sind, denn es hat mit Flügen zu tun.
Immer wenn ich gemerkt habe „Besser kann ich es nimmer, ich habe das Maximum gegeben“, dann steige ich aus. Bevor es langweilig und zu einer Wiederholung wird oder ich es nicht mehr so gut kann, wage ich es und beginne etwas Neues.
Carola Heine: Woran liegt es, dass wir Menschen uns nicht einfach freuen und uns sagen „wie wunderbar, ich habe etwas erreicht und kann mich nun ausruhen, es genießen“? Woher kommt der Zielerreichungs-Blues, der dich in ein dunkles Loch fallen lässt?
Reinhold Messner: Natürlich habe auch ich mich gefreut, wenn ich ein Ziel erreicht habe. Aber ich bin ein Mann der Tat – ein Mensch, der seine Befriedigung durch das Umsetzen von Ideen findet. Dazu habe ich sogar mal den passenden Ausdruck erfunden: Selbstmächtigkeit.
Selbstmächtigkeit heißt: Wenn mir etwas gelingt, dann geht da auch noch ein bisschen mehr. Das ist dann mehr als nur Selbstsicherheit oder gar Stolz. Es ist diese innere Überzeugung: Ich kann mehr.
Ich bin damals einmal so weit gegangen, dass ich wusste: Das kann niemand anderer auf der Welt. Weil ich in einer guten Phase war, das Können und die Erfahrung mitbrachte. Doch all diese Tätigkeiten hatten eine Deadline. Zum Beispiel bin ich, bis ich etwa 25 Jahre alt war, ein fantastischer Kletterer gewesen. Damals glaubte ich zunächst noch, das würde ich ein Leben lang machen. Nicht als Beruf natürlich, sondern als Hobby zur Freizeitgestaltung. Doch bei der ersten Himalaya-Expedition habe ich mir Erfrierungen geholt. Mit gleich sieben amputierten Zehen hätte ich nie wieder so gut klettern können wie bisher.
Also habe ich das Klettern ganz hintenangestellt – und wurde Spezialist im Höhenbergsteigen. Damit bin ich dann bekannt geworden, habe alle Achttausender bestiegen. Dabei war mir schon im Vorfeld klar: Wenn ich die alle bestiegen habe, kann ich mich damit nicht wiederholen. Nur ein Jahr später war ich also schon wieder unterwegs und habe den Osten von Tibet zu Fuß durchquert. Zehn Jahre lang habe ich die großen Überquerungen gemacht wie die Antarktis oder Grönland. Dann merkte ich, inzwischen fehlt mir ein wenig die Geschicklichkeit. Nicht die Ausdauer oder die Leidensfähigkeit, aber ich hatte nicht mehr die Kraft und Geschicklichkeit eines jungen Menschen.
Mein Glück war, dass ich die Reihenfolge richtig gesetzt hatte: Zuerst Kletterer in jungen Jahren, wenn man die beste Schnellkraft und die größte Geschicklichkeit hat. Dann Höhenbergsteigen, für das Erfahrung sowie Ausdauer und Leidensfähigkeit benötigt werden. Im Anschluss diese „horizontalen“ Ziele, bei denen man nicht abstürzen konnte – höchstens hinfallen. Das ist ein großer Unterschied.
Anschließend die Projekte, die kreative und geistige Leistung erfordern, wie das Museum. Das betrachte ich als meine größte wirtschaftliche kreative Leistung: Ein Museum mit sechs Standorten, das heute erfolgreichste Bergmuseum der Welt.
Das Museum MMM Corones ist auf über 2000 m gelegen und widmet sich der Königsdisziplin des Bergsteigens, dem Trad Adventure Alpinism, den Reinhold Messner geprägt hat.
Carola Heine: Du hast so stark ausgeprägte Talente und unfassbar erfolgreiche Projekte. Aber es muss ja auch Momente gegeben haben, in denen du gedacht hast: An dieser Stelle geht es nicht weiter. Denn das Scheitern gehört zu einem normalen Lebensweg dazu.
Für viele Menschen ist Scheitern dann auch das Ende ihrer Ambitionen. Sie tun sich dann leid und ab dann machen sie alles ein oder drei Nummern kleiner. Das sieht bei dir ganz anders aus. Wie ist dein Umgang mit dem Scheitern? Bist du auch mit Vorhaben gescheitert?
Reinhold Messner: Ich bin häufig gescheitert. Allein um die Achttausender zu besteigen, habe ich 31 Expeditionen gemacht. Jedes Mal Training, Logistik, Vorbereitung, Reise – und dann fängt es erst richtig an. Wäre ich nicht gescheitert, dann wäre ich nicht am Leben geblieben:
Ich habe beim Scheitern so vieles gelernt, das mir nachher dabei geholfen hat, Erfolg zu haben.
Schon in jungen Jahren habe ich erkannt, dass es nicht so wichtig ist, Erfolg zu haben. Es geht um die Erfahrung, um das Erlebnis, das Abenteuer an sich. Nur Versuch und Irrtum bringen mich weiter. Hätte ich mir nach dem ersten Achttausender gesagt „Okay, das war’s, das ist mir zu gefährlich“, dann hätte ich keine weiteren Erfahrungen sammeln können. Ich wäre an dieser Stelle steckengeblieben. Scheitern hatte aber nicht nur mit solchen Faktoren zu tun wie schlechtem Wetter oder eine Mannschaft, die nicht harmoniert oder weil ein Aussrüstungsstück verloren ging.
Scheitern hing für mich in erster Linie mit Gegnerschaft zusammen. Ich habe sehr früh viel Gegnerschaft erfahren.