Adieu, gelber Krankenschein: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird digital
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Der gelbe Krankenschein zählte lange zu den vertrauten Utensilien unserer Arbeitswelt und des Gesundheitssystems. Doch seit dem 1. Juli 2022 gehört die klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Papierausdruck größtenteils der Vergangenheit an. An die Stelle des gelben Krankenscheins ist die digitale Krankschreibung getreten. Lesen Sie hier, was sich ändert.
Das Wichtigste in Kürze
Im Krankheitsfall müssen Angestellte ihre Arbeitgeber:innen umgehend benachrichtigen und spätestens am dritten Tag ein ärztliches Attest vorlegen, um die Arbeitsunfähigkeit zu bestätigen.
Die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber dauert sechs Wochen, danach übernimmt die Krankenkasse die Zahlungen.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – der bisherige Ablauf
Laut den Angaben des GKV-Spitzenverbands als Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen belaufen sich die jährlichen Krankschreibungen auf etwa 77 Millionen. Trotz des umgangssprachlichen Namens „gelber Krankenschein“ handelte es sich ursprünglich bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht um einen, sondern um vier Scheine.
Diese gingen jeweils an den Arzt bzw. die Ärztin, den:die Versicherte:n, die Krankenkasse und den:die Arbeitgeber:in. Arbeitnehmer:innen reichten spätestens am dritten Tag – oder nach Vereinbarung mit dem:der Arbeitgeber:in auch früher – die ausgedruckte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Die Personalabteilung musste dann die Daten manuell erfassen.
Wie die digitale Krankschreibung funktioniert
Die Digitalisierung des Krankschreibungsverfahrens soll für einen schlankeren Prozess sorgen. Dies soll eine Entlastung der Unternehmen und Mitarbeiter:innen mit sich bringen. In Teilen läuft der Prozess bereits digital ab.
Schritt 1: Übermittlung der Krankmeldung von der Praxis an die Krankenkasse
Bereits seit dem 1. Oktober 2021 ist es für Arztpraxen und Krankenhäuser möglich, Krankmeldungen über ihr Praxis- bzw. Krankenhausinformationssystem digital an die Krankenkasse zu übermitteln. Für Einrichtungen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die technischen Voraussetzungen verfügten, galt eine Übergangsregelung bis zum 30. Juni 2022. Seit dem 1. Juli 2022 müssen Krankmeldungen elektronisch an die Krankenkasse übermittelt werden.
Schritt 2: Übermittlung der Krankmeldung von der Krankenkasse an den:die Arbeitgeber:in
Die Pilotphase für den zweiten Schritt startete am 1. Januar 2022. Arbeitgeber:innen, die bereits über die nötige Technik verfügten, konnten seitdem bereits die Daten der Krankmeldung elektronisch bei der Krankenkasse abrufen. Ab dem 1. Januar 2023 ist das neue Verfahren für alle Beteiligten verpflichtend. Die Krankmeldung erfolgt dann nur noch digital.
Hinweis: Arbeitgeber:innen müssen dann selbst aktiv werden. Sobald die Daten von der Krankenversicherung zur Arbeitsunfähigkeit des:der Mitarbeiters:in eingestellt wurden und elektronisch bereitstehen, muss der:die Arbeitgeber:in diese Daten selbst bei der Krankenversicherung abrufen.
Vorteile der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Das digitale Verfahren bietet einige Vorteile. Die wichtigsten Vorzüge im Überblick:
- Auf elektronischem Weg wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sicherer und schneller an Arbeitgeber:innen und Krankenkassen zugestellt.
- Der elektronische Krankenschein reduziert Erstellungs- und Übermittlungskosten.
- Versicherte werden von der Zustellpflicht der Bescheinigung entbunden.
- Der:die Arbeitgeber:in kann unmittelbar nach der Ausstellung auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugreifen.
- Das elektronische Verfahren bietet eine lückenlose Dokumentation bei den Krankenkassen und sichert damit z. B. den korrekten Ausgleich bei der Zahlung von Krankengeld.
Welche Daten meldet die Krankenkasse?
Die Krankenkasse meldet alle wichtigen Daten, die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen benötigen, um über den Krankheitsstand des Mitarbeiters beziehungsweise der Mitarbeiterin informiert zu sein. Die Angaben sind so knapp gehalten, wie es sein muss, denn im Rahmen des Datenschutzes muss nicht jede Information weitergegeben werden. Beispielsweise gibt die eAU keine Auskunft darüber, warum ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin krankgeschrieben wurde.
Ausnahmen davon sind Angaben zu einem Unfall, sofern das eine wichtige Information ist. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es sich um einen Arbeitsunfall handelt oder generell Anhaltspunkte für einen Unfall vorliegen. Dann muss der Unfallversicherungsträger darüber in Kenntnis gesetzt werden.
Die Informationen, die an Arbeitgeber:innen von der Krankenkasse weitergegeben werden, sind diese:
- Name des kranken Mitarbeiters oder der kranken Mitarbeiterin
- Datum für Beginn der Arbeitsunfähigkeit
- Datum für voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit
- Datum für die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
- Kennzeichnung als Erstmeldung oder Folgemeldung
- Angaben zu der Möglichkeit, dass die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ein Unfall oder Arbeitsunfall sein könnte oder auf den Folgen eines Unfalls oder Arbeitsunfalls beruht
Wie werden Krankmeldungen für Beschäftigte erfasst?
Die AU muss im System des Unternehmens erfasst werden, damit die eAU abgerufen werden kann. Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Wir stellen Ihnen hier die zwei gängigsten Praktiken vor:
Beispiel: Zeiterfassungssystem
Zeiterfassungssysteme werden mittlerweile in fast allen Unternehmen verwendet. Obwohl sich auch die klassischen Stundenzettel weiterhin großer Beliebtheit erfreuen, steigen immer mehr Unternehmen auch gezwungenermaßen aufgrund der Vorgaben für den Datenschutz oder neue Richtlinien für die Zeiterfassung auf digitale Zeiterfassungssysteme um.
Verwenden Sie ein Zeiterfassungssystem, ist es möglich, damit direkt die AU von kranken Mitarbeiter:innen zu erfassen und die Daten dann an die Entgeltabrechnung weiterzuleiten. So ist dann der Abruf der eAU möglich.
Dafür gehen Sie folgendermaßen vor:
Zuerst erhalten Sie die Meldung, dass ein Angestellter oder eine Angestellte sich krankgemeldet hat.
Die Fehlzeit tragen Sie im Zeiterfassungssystem ein. Zum Beispiel als „krank ohne AU-Bescheinigung“.
Das Zeiterfassungssystem überträgt den Datensatz automatisch in die Entgeltabrechnung.
Die Entgeltabrechnung ruft die eAU von der Krankenkasse auf.
Der Datensatz aus der eAU wird dann wiederum vom Entgeltabrechnungsprogramm an die Zeiterfassung zurückgeleitet. Dadurch erhält die Zeiterfassung die Informationen zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit und den Hinweis, dass eine AU-Bescheinigung vorliegt. Der Eintrag ändert sich also zu „krank mit AU-Bescheinigung“.
Jetzt können alle Personen, die über den Ausfall Bescheid wissen müssen, informiert werden, wie lange die AU dauern wird und entsprechend reagieren.
Beispiel: Entgeltabrechnung
Die zweite Möglichkeit ist die direkte Erfassung über die Entgeltabrechnung. Dafür ist der Ablauf ein wenig anders:
Am Anfang steht natürlich wieder die Information, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin krankheitsbedingt ausfällt.
Die Entgeltabrechnung wird über die gemeldete Krankheit informiert.
Die eAU der Krankenkasse wird von der Entgeltabrechnung abgerufen.
Das Entgeltabrechnungsprogramm leitet den Datensatz mit den Informationen zur Dauer der Erkrankung und dem Hinweis „krank mit AU-Bescheinigung“ an die Zeiterfassung weiter. Sofern kein digitales Zeiterfassungssystem verwendet wird, geht die Information an die für die Auswertung der Zeiterfassung zuständige Person.
Jetzt können alle Personen informiert werden, die von dem Ausfall betroffen sind.
Wie funktioniert die eAU bei Minijobber:innen?
Bisher kannten Arbeitgeber:innen die Krankenkasse ihrer Minijobber:innen nicht, da die Minijob-Zentrale bundeseinheitlich für den Einzug der Beiträge bei geringfügig Beschäftigten zuständig ist. Das ändert sich jetzt. Um die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch für Minijobber:innen abfragen zu können, müssen Arbeitgeber:innen deren Krankenkasse im Nachgang oder bei Neueinstellung erfragen.
Ausnahme bei Privatversicherten
Bei privat krankenversicherten Arbeitnehmer:innen gibt es eine Ausnahme. Hier findet das neue Verfahren keine Anwendung. Zudem wird es sicherlich auch bei bestimmten Lebenssachverhalten nicht möglich sein, das neue Verfahren anzuwenden. In diesen Fällen wird es beim bisherigen Verfahren bleiben.
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Grundlagen für die Erfassung von Krankmeldungen liefert das Sozialgesetzbuch (SGB). Darin ist unter anderem festgelegt, dass Krankenkassen dazu verpflichtet sind, die Informationen für Arbeitgeber:innen zum Abruf zur Verfügung zu stellen.
Diese Pilotierung sollte ursprünglich bereits im Jahr 2021 beginnen, verschob sich aber aufgrund der Corona-Pandemie. Seit dem 1. Januar 2023 sind aber alle Regelungen aus § 125 SGB IV entsprechend verpflichtend.
Gesetzlich geregelte Fristen für das ärztliche Attest
Die Nachweispflichten und Verpflichtungen zur Anzeige von Mitarbeiter:innen bei Arbeitsausfall sind im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. So muss spätestens am vierten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine digitale ärztliche Bescheinigung ausgestellt werden.
Für Arbeitgeber:innen gilt aber das Recht, die Fristen zu verkürzen und können bereits ab dem ersten Tag eine ärztliche Bescheinigung verlangen.
Papierbescheinigung als Notlösung und für die Unterlagen des Beschäftigten
Eine Papierbescheinigung ist nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen. Liegen in einer Arztpraxis beispielsweise technische Problem vor, die das Erstellen und Übermitteln der digitalen AU-Bescheinigung verhindern, dürfen Ärzte und Ärztinnen eine Papierbescheinigung per Post an die Krankenkasse senden oder diese dem oder der kranken Angestellten mitgeben.
Beschäftigte haben weiterhin einen Anspruch auf eine ausgedruckte Bescheinigung für ihre Unterlagen.
Wann ist eine eAU nicht möglich?
Es gibt noch bestimmte Ausnahmefälle, in denen keine eAU möglich ist. Das sind diese:
- Erkrankung eines Kindes (für den Antrag auf Kinderkrankengeld)
- Krankheiten von privat versicherten Angestellten
- AU-Bescheinigungen aus dem Ausland
- Krankheiten von Minijobber:innen in Privathaushalten
In diesen Fällen wird weiterhin eine ausgedruckte Bescheinigung herausgegeben. Diesen erhalten Angestellte in dreifacher Ausführung. Einmal je für die Krankenkasse, für den oder die Arbeitgeber:in und für sich selbst.
Private Arztpraxen können grundsätzlich keine eAU übermitteln, da sie nicht an das vertragsärztliche Versorgungsnetz angebunden sind.
Ist die Datenübertragung sicher?
Die Daten werden über ein abgesichertes Netzwerk übertragen und sind jederzeit verschlüsselt.
Alle Abfragen werden zudem genau überprüft, beispielsweise darauf, dass der oder die Mitarbeiter:in auch tatsächlich beim entsprechenden Betrieb angestellt ist und ob eine Abrufungsberechtigung besteht.
Vor der Datenweitergabe erfolgt noch ein Abgleich mit dem Datenstand der Krankenkasse. Bei der geringsten Abweichung wird das Verfahren direkt abgebrochen.
Telefonische Krankschreibung
Eine telefonische Krankschreibung ist seit dem 31. März 2023 nicht mehr möglich. Diese Sonderregelung wurde während der Corona-Pandemie eingeführt, um Arztpraxen zu entlasten. Mit dem Abklingen der Pandemie wurde die Regelung zurückgezogen und es ist wieder verpflichtend, persönlich beim Arzt oder der Ärztin zu erscheinen.