Definition
Definition des Fachkräftemangels in Deutschland
Der Fachkräftemangel bezieht sich nicht – wie oft vermutet – darauf, dass Unternehmen Probleme haben, gut ausgebildete Arbeitnehmer zu finden, sondern darauf, dass die Bewerbungen generell zurückgehen. Ein Fachkräftemangel liegt dann vor, wenn sich auf eine freie Stelle höchstens zwei Arbeitnehmer bewerben. Deren Qualifikation spielt dabei erstmal keine Rolle. Es zeigt viel mehr auf, dass ein Unternehmen, eine Branche oder ein Beruf für die Bewerber und Bewerberinnen nicht attraktiv genug ist, um sich darauf zu bewerben.
Der Fachkräftemangel in Deutschland in Zahlen
Laut dem Bundeswirtschaftsministerium sind über die Hälfte aller deutschen Unternehmen vom Fachkräftemangel betroffen oder zumindest davon bedroht. Da sich der Fachkräftemangel nicht auf einzelne wenige Unternehmen bezieht, sondern ein deutschlandweites Thema ist, bezieht sich die Definition im Grunde auf statistische Angaben, die von der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellt werden. Laut diesen Statistiken gab es im vierten Quartal 2023 1,73 Millionen offene Stellen, für die sich kaum Bewerber fanden.
Ungefähr dreiviertel dieser 1,73 Millionen Stellen waren für Fachkräfte ausgeschrieben, also qualifiziertes Personal mit passender Ausbildung oder dem entsprechenden Hochschulabschluss. Das Problem greift aber tiefer und fängt bereits früher an. Im Jahr 2024 blieben 73.400 Ausbildungsstellen unbesetzt. Das Ergebnis sollte klar sein: Wo Ausbildungsstellen offen bleiben, können keine Fachkräfte für die Zukunft ausgebildet werden. Im Jahr 2027 wäre ein Teil dieser Ausbildungen abgeschlossen und die Arbeitnehmer könnten sich zu Fachkräften weiterentwickeln. So bleiben diese Stellen unbesetzt und es kommen keine neuen Fachkräfte nach. Das ist aber nicht die einzige Ursache für den Fachkräftemangel.
Ursachen für den Fachkräftemangel
Fachkräfte werden vor allem in Branchen und Berufsgruppen gesucht, in denen spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten entscheidend sind. Kenntnisse und Umgang mit neuer Technik, modernen Methoden und Anpassungsfähigkeiten sind dabei gefragt.
Die Wirtschaftssegmente, die am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen sind, sind folgende:
- Handwerk
- Ingenieure, Programmierer und andere akademische Berufsgruppen
- Logistik
- MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik)
- Pflege- und Gesundheitsberufe
- Sozialarbeit
Generell weitet sich der Fachkräftemangel aber auf alle Branchen und Wirtschaftszweige aus. Der Fachkräftemangel geht über das normale Maß an Schwankungen durch die Dynamik der einzelnen Märkte hinaus. Engpässe sind hin und wieder normal, der Fachkräftemangel hingegen ist ein Ergebnis mehrerer Ursachen, die Veränderung erfordern.
Demografischer Wandel verschärft den Fachkräftemangel
Die Bevölkerung in Deutschland geht seit Jahren zurück. Damit schrumpft auch der Anteil an Arbeitnehmern. Das macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn Fachkräfte in Rente gehen, aber diese nicht durch junge Bewerber ersetzt werden können. Laut Berechnungen von Experten wird die Anzahl an verfügbaren Arbeitskräften in Deutschland bis zum Jahr 2030 um fast 4 Millionen sinken. Die niedrige Geburtsrate in Deutschland hat dem nichts entgegenzusetzen.
Dazu kommt, dass die meisten Fachkräfte die Voraussetzungen erfüllen, um „früh“ in Rente gehen zu können, unter anderem 45 Jahre Arbeit in Vollzeit. Auch angespartes oder gut angelegtes Geld ermöglicht es Arbeitnehmern, früher die Rente anzutreten. Dadurch verlassen viele Fachkräfte den Arbeitsmarkt „vorzeitig“ und können nicht gleichwertig ersetzt werden. Dieser Umstand könnte sich allerdings durch die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters verändern.
Zuwanderung von Fachkräften bleibt aus
In den letzten Jahren kamen zahlreiche Menschen aus dem Ausland nach Deutschland, um sich Arbeit zu suchen. Es handelt sich dabei allerdings kaum um junge Fachkräfte. Das bedeutet, ein Ausgleich des Fachkräftemangels ist durch Zuwanderung in den nächsten Jahren nicht zu erwarten, auch laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Höhere Anforderungen an Bewerber und Arbeitnehmer
Auch die Unternehmen selbst sind nicht unbeteiligt am Fachkräftemangel. Die Anforderungen an die Mitarbeiter steigen stetig an und vor allem in den mittleren Lohngruppen entsteht dadurch eine große Lücke.
Moderne Unternehmen treten dem mit Angeboten für Weiterbildungen zwar bereits entgegen, aber diese zeigen erst langfristig Wirkung. Statt auf dem Markt also nach Mitarbeitenden zu suchen, die ihre Anforderungen erfüllen, bilden sie ihre Mitarbeiter selbst weiter. Das kostet allerdings Zeit und Geld und wird daher nicht in jedem Unternehmen umgesetzt. Natürlich besteht auch für Arbeitnehmer unabhängig von einem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich weiterzubilden, hier fehlt es aber oftmals an den nötigen Geldmitteln.
Bildungspräferenzen entwickeln sich weiter Richtung Studium
Der aktuelle Bildungstrend der jungen Generationen geht Richtung Studium, die Nachfrage von Berufsausbildungen geht dagegen weiter zurück. Das trifft vor allem die handwerklichen Berufe hart. Auch die Elektro- und Metallindustrie sind davon betroffen. Gerade die reinen Ausbildungsberufe haben mittlerweile große Probleme, Auszubildende zu finden. Daraus hat sich ein Markt entwickelt, der mit Studienabschlüssen überlaufen ist, aber eine große Lücke bei Ausbildungsstellen hat.
Schuld daran sind verschiedene Aspekte des Bildungssystems und der Umstand, dass Jugendlichen jahrelang das Studieren nahegelegt wurde, um beruflich bessere Chancen zu haben. Dieser Umstand trifft hinsichtlich des Fachkräftemangels allerdings weniger zu, denn die Studierten haben im Gegensatz zur ausgebildeten Person nach Studienabschluss in der Regel noch keine Fachkenntnisse.
Für diie Industrie- und Handwerksverbände ist es eine Herausforderung, die Ausbildungsberufe in diesem Bereich attraktiv zu machen. Vor allem in der so wichtigen Work-Life-Balance und den Perspektiven für die Zukunft hinken diese Berufe häufig hinterher, wodurch sich die jungen Arbeitnehmer lieber auf Branchen fokussieren, die ihnen diese Wünsche erfüllen können.
Jobwechsel und Abwanderung
Ein weiteres Thema, das sich vor allem im Handwerk deutlich zeigt, ist, dass die Fachkräfte nicht in ihren erlernten Jobs verbleiben. Nur 36,5 Prozent der gelernten Handwerker bleiben auch dauerhaft ihrem Handwerksberuf treu. Der Rest wandert entweder in die Industrie ab oder geht ganz andere Wege.
An den Landesgrenzen können diese Wege auch ins Ausland führen, wo beispielsweise Österreich und die Schweiz attraktive Arbeitsplätze anbieten. In den Bereichen wie IT oder Programmierung hingegen suchen sich die Arbeitnehmer ihre Jobs direkt zu Hause am Computer und arbeiten dann als Freelancer oder freiberuflich und bauen sich so ihr eigenes Business auf.
Was können Unternehmen tun, um gegen den Fachkräftemangel zu bestehen?
Die Ursachen für den Fachkräftemangel zeichnen im Grunde schon ein Bild von dem, was Unternehmer dagegen tun können. Lösungsansätze beziehen sich vor allem auf die Arbeitsbedingungen, die Unternehmenskultur, die Familienfreundlichkeit und die Entwicklungsmöglichkeiten. Die Vergütung steht gar nicht so hoch im Kurs, wie viele Arbeitgeber denken. Viele versuchen, ausschließlich mit Geld zu locken, aber das überzeugt junge Arbeitnehmer kaum noch.
Ausbildung und Weiterbildung
Unternehmen brauchen Fachpersonal mit Praxiserfahrung. Dabei sollte es keine Rolle spielen, woher diese Erfahrung kommt. Wichtig ist, dass das Personal den Job beherrscht.
Deshalb ist es für moderne Unternehmen wichtig, eigene Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote anzubieten. Vor allem die Möglichkeiten zur Weiterbildung sind dabei wichtig. Nicht jeder Arbeitnehmer ist bereits eine Fachkraft, aber durch gezielte Weiterbildungen lassen sich aus Rohdiamanten starke Fachkräfte entwickeln. Das hat gleich zwei Vorteile:
- Sie bilden Ihre eigenen Angestellten weiter und machen diese zu Fachkräften.
- Ihr Unternehmen wird für Fachkräfte attraktiver, da diese Chancen sehen, sich ebenfalls noch weiterzubilden.
Ein positives Arbeitsumfeld
Die Unternehmenskultur und das gesamte Umfeld sind sehr wichtig für junge Arbeitnehmer. Jeder möchte in einem Arbeitsumfeld tätig sein, in dem man sich wohlfühlt.
Hier kommt auch die Work-Life-Balance oder weitergedacht auch die Work-Life-Integration ins Spiel. Nicht nur das Unternehmensklima sollte positiv sein, auch die Einrichtungen und Möglichkeiten sind ein wichtiger Faktor für Arbeitsuchende.
Auch eine angenehme Arbeitsumgebung ist dabei ein wichtiger Faktor. Dazu zählen beispielsweise ein ansprechender Pausenraum sowie modern eingerichtete Werkstätten und Produktionsräume. Schließlich wirkt sich auch die Optik positiv auf das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter aus. Dazu kommen weiterführende Einrichtungen, die es den Arbeitnehmern einfacher machen, Job und Familie zu vereinbaren. Ein Betriebskindergarten oder andere Angebote, die es Familienmenschen einfacher machen, können da einen großen Unterschied bedeuten.
Diversität
Das immer aktuelle Thema Diversität ist ebenfalls ein Faktor. Dabei geht es aber nicht nur darum, eine bestimmte Quote einzuführen oder beispielsweise die aktive Förderung von Frauen. Das ist zwar grundsätzlich ein guter Ansatz, aber es gibt noch viel ungenutztes Potenzial.
Um die Diversität zu fördern, können auch ältere Arbeitnehmer angesprochen werden. Hier stehen Fachkräfte bereit, die aber häufig aufgrund des hohen Alters nicht mehr eingestellt werden. Das Alter sollte dabei aber kein Hindernis sein, ganz im Gegenteil, denn diese Arbeitnehmer bringen möglicherweise genau das Know-how mit, das Sie suchen, und können es auch an jüngere Generationen weitergeben. Das können Unternehmen z. B. in Form von Minijobs anbieten, mit denen sich Rentner noch etwas dazuverdienen können.
Außerdem sind Arbeitsstellen für Menschen mit Behinderung nach wie vor verhältnismäßig rar. Hier können Unternehmen einen komplett neuen Pool an fähigen Arbeitnehmern erschließen, der von anderen kaum genutzt wird.
Und auch Menschen mit Migrationshintergrund und ausländische Arbeitnehmer, sind ein Weg, die Diversität in Ihrem Unternehmen zu fördern. Fachkräfte aus dem Ausland sind bestens qualifiziert und bringen unter Umständen auch noch Einblicke und Ideen mit, die völlig neue Ansätze ermöglichen.
Je offener ein Unternehmen sich bei der Arbeitersuche zeigt, desto größer wird der Pool an möglichen Arbeitnehmern und gleichzeitig wächst auch die Fachkenntnis im Unternehmen. Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen bringen so auch diverse Fähigkeiten und neue Perspektiven ins Unternehmen.
Weiterempfehlungen
Durch das Internet hat eine Form des indirekten Marketings extrem zugenommen: die Weiterempfehlung. Bewertungsportale, Influencer und Social Media machen es möglich. Jedes Produkt und jedes Unternehmen können dabei online bewertet werden. Das können Sie bei der Suche nach Arbeitnehmern auch für sich nutzen, denn die Bewertungen von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern können ein entscheidender Faktor bei der Auswahl der Arbeitsstelle sein.
Wenn Sie die oben genannten Punkte bereits umsetzen, müssen Sie dies auch an mögliche Bewerber kommunizieren, um Ihr Unternehmen entsprechend attraktiv darzustellen. Das gelingt beispielsweise auch über Weiterempfehlungen. Sie können Ihre Mitarbeiter also bewusst dazu animieren, Bewertungen und Meinungen zu ihrer Arbeitsstelle im Internet zu hinterlassen. Ein attraktiver Arbeitsplatz bringt schließlich nur dann etwas, wenn bekannt ist, dass dieser existiert.